3D-Verlaufsmessung einer Druckrohrleitung
Beteiligte Systeme und Technologien
Auftrag
Im Verlauf des Kieler Hauptkanalnetzes existiert eine 917 m lange Druckrohrleitung aus DN 1000 Spannbeton, die einen Höhenunterschied von über 18 m überwindet. Zudem weist der Abwasserkanal aus den 70er Jahren zwei 90° Bögen auf. Daraus ergeben sich besondere Anforderungen an eine Reinigung, Inspektion und geodätisch exakte Vermessung. Diesen Aufgaben nahmen sich die Kanalspezialisten der Canal-Control + Clean Umweltschutzservice GmbH in Zusammenarbeit mit der GEODOC GmbH im Auftrag der Stadtentwässerung Kiel an.
Herausforderung
Bei Abwasserdruckleitungen handelt es sich um Sonderbauwerke der Kanalisation, da sie sich in baulichen und betrieblichen Randbedingungen von Freispiegelleitungen unterscheiden: Druckleitungen weisen so gut wie keine Wartungs- und Kontrollöffnungen auf. Steigungsstrecken, Bögen im Leitungsverlauf und ständige Vollfüllung erschweren die Reinigungsarbeit und die Inspektion. Da Inspektionen während des Betriebs bei Planung und Bau meist nicht vorgesehen werden, sind Schächte in Druckleitungen nur in großen Abständen vorhanden. Leitungen dieser Art gelten nach DWA-Arbeitsblatt 116-2 als wartungsfrei. Dennoch stellte sich die Stadtentwässerung Kiel die Frage, in welchem Zustand sich die Druckrohrleitungen zwischen einer der größten Kieler Pumpstationen in der Innenstadt und der Einleitung zum Freigefälle in der Feldstraße vor der Kieler Gelehrtenschule befindet.
Aufgrund der geschilderten Besonderheiten ist eine Inspektion des gesamten Leitungsverlaufs nicht ohne bauliche Eingriffe möglich. Die Stadtentwässerung Kiel entschied sich daher, zwei Revisionsstücke einzubauen. Hierzu wurde die Druckrohrleitung an zwei Stellen, im Ratsdienergarten und im Jensendamm, mittels Baugruben aufgetrennt. Somit konnte die Druckrohrleitung in drei Abschnitte von 37 m, 268 m und 612 m aufgeteilt werden. Die Positionen der Revisionsstücke wurde so gewählt, dass sich diese vor und hinter dem Teilstück befinden, auf dem eine Absackung vermutet wurde, um hier eine Zugangsmöglichkeit zu schaffen.
Lösung
Im Gegensatz zu Anschlussleitungen kann die Lage von Hauptkanälen theoretisch anhand von Schachtbauwerken ermittelt werden. Diese sind oberirdisch sichtbar und befinden sich zumeist im öffentlichen Bereich. Zwischen den Schächten wird ein geradliniger Verlauf der Haltung angenommen. Es treten jedoch immer wieder Fälle auf, in denen der Haltungsverlauf von diesem Prinzip abweicht und zwar so stark, dass die Abweichung für die Planung von Sanierungsmaßnahmen von Bedeutung ist. "In diesen Situationen ist eine exakte Rohrverlaufsmessung auch in Hauptkanälen angeraten.", bekräftigt Projektleiter Lüdeke Graßhoff (GEODOC GmbH) den Entschluss der Stadtentwässerung Kiel. Diese entschied, die Druckrohrleitung nicht nur gründlich zu reinigen und zu inspizieren, sondern gleichzeitig den genauen Verlauf mit Hoch- und Rechtswerten sowie Höhenangaben (x,y,z-Koordinaten) erfassen zu lassen. Besonderen Wert legte René Mittelstädt, Bauleiter der Stadtentwässerung Kiel, dabei auf die Höhendaten. Zu diesem Zweck setzt das ausführende Unternehmen Canal-Control + Clean Umweltschutzservice GmbH (CCC) die Hydrostatische Höhenmessung und die 3D-GeoSense-Verlaufsmessung ein. Mit dieser von der IBAK Helmut Hunger GmbH & Co. KG entwickelten innovativen Technologie wird der Rohrverlauf mit einem in die Inspektionskamera integriertem 3D-Sensor in einem Arbeitsgang mit der Inspektion automatisch aufgezeichnet. Unterstützt wird die 3D-GeoSense-Messung mit der Hydrostatischen Höhenmessung, bei der über eine im Spülschlauch stehende Wassersäule die Höhe zentimetergenau gemessen werden kann.
Zunächst stand die Reinigung der Druckrohrleitung an. "Die Reinigung auf dem 612 m langen Teilabschnitt ohne weiteren Zugang bei einem Höhenunterschied von 17 m gegen die Fließrichtung, also bergauf, hat unsere Mitarbeiter und natürlich auch das Material entsprechend gefordert.", merkt Lüdeke Graßhoff an. Hier wurden täglich bis zu 35 t Kanalsande mit mehreren Fahrzeugen zu Tage gefördert und nahezu die gesamte Rohrstrecke erreicht. Eine tägliche Befahrung mit einer hochauflösenden Dreh- und Schwenkkopfkamera auf dem IBAK-Fahrwagen zur Kontrolle der Reinigungsergebnisse brachte genaue Erkenntnisse über den Reinigungsfortschritt und die Effektivität der angewandten Methoden. Diese TV-Kontrolluntersuchungen wurden bereits mit der 3D-GeoSense-Technik durchgeführt, sodass die Kameraposition jederzeit der sich dynamisch aufbauenden Netzgrafik am Bildschirm zu entnehmen war. Dadurch hatte der Reiniger genaue Information über die Änderungen des Haltungsgefälles und die Position der vorliegenden Kaskaden. Die Reinigung konnte damit genau und effektiv auf die Rohrgeometrie abgestimmt werden.
Im Anschluss an die Reinigung wurde die Druckrohrleitung komplett aufgetrennt, um die 5 m langen Revisionselemente einzusetzen. An nur zwei Tagen bewältigte das CCC-Team in enger Zusammenarbeit mit René Mittelstädt die Inspektion und elektronische Vermessung des Haltungsverlaufs mittels der 3D-Technik der IBAK. Die Ermittlung der x,y,z-Koordinaten erfolgte sowohl während der Vorwärts- als auch während der Rückwärtsfahrten der Kamera. Jeder Durchgang lieferte unmittelbar einen realitätsgetreuen Lageplan mit Hoch- und Rechtswerten sowie Höhenangaben der Druckrohrleitung auf dem Monitor im Bedienraum. Der Kamerafahrwagen T 76 verfügt über eine elektronische Stabilitätsfunktion, die ihn bei Lageabweichungen automatisch in die Rohrsohle zurückführt. Die Kamera mit integriertem Sensor wurde stets parallel zur Rohrachse ausgerichtet, um eine präzise Messung zu gewährleisten. Um eine sehr hohe Genauigkeit zu erreichen, wurde derselbe in diesem Fall sehr lange Messabschnitt wiederholt befahren und ein Mittelwert aus den Messungen gebildet. Diese Funktion wird durch die neue IKAS evolution Softwarekomponente für die 3D-GeoSense-Verlaufsmessung von Haltungen unterstützt.
Die Hydrostatische Höhenmessung wurde punktuell in die Aufzeichnung des Leitungsverlaufs einbezogen. Dabei handelt es sich um eine Messmethode, die zuverlässig die Höhe von Rohrnetzen mit einer sehr hohen Genauigkeit ermittelt. Mit Hilfe eines Drucksensors wird bei diesem Verfahren die im Spülschlauch stehende Wassersäule gemessen. Zunächst erfolgte eine „Nullmessung“ auf dem Schachtdeckel, um einen Referenzdruck für alle weiteren Folgemessungen zu erhalten. Daraufhin wurde die Spüldüse unmittelbar nach dem Kamerafahrwagen, über den die Meterzählung erfolgt, eingespült. Durch die am Fahrwagen montierte Rückschaukamera IBAK RETRUS konnte die Position der Spüldüse genau kontrolliert werden. An beliebigen Punkten wurde die Spüldüse angehalten, um die Wassersäule erneut zu messen. Daraus ermittelte die IBAK-Software IKAS evolution die Druckveränderung gegenüber der „Nullmessung“ und bestimmte die Höhe der Haltung an dem Messpunkt zentimetergenau.
Ergebnis
Für die Auswertung der Messergebnisse wurden die insgesamt vier Teilstücke der Untersuchung in einem Objekt zusammengefasst. Die IBAK-Softwareentwicklung hat die Verschneidung dieser Teilstückdaten umgesetzt, um auch mit derart komplexen Echtdaten neue Erkenntnisse über den Einsatz von 3D-GeoSense zu erlangen. "Wir haben hier ein eindrucksvolles Praxisbeispiel, in dem eine sehr hohe Genauigkeit der x- und y-Koordinaten gewährleistet werden kann. Die Genauigkeit der Höhenangaben über den gesamten Rohrverlauf ist nochmals besser, und in diesem Praxiseinsatz erwiesen worden.", konstatiert Lüdeke Graßhoff. Insgesamt wurden an die 800 Messpunkte (Haltungspunkte mit x,y,z-Koordinaten) ermittelt, sodass annähernd für jeden Meter der Haltung ein verifizierter Messwert zur Verfügung steht.
Die kontinuierliche dreidimensionale Vermessung in einem Arbeitsgang mit der Inspektion hat sich bereits für verzweigte Anschlussleitungen bei unterschiedlichsten Auftragsarten und -bedingungen bewährt. Der vorliegende Praxisfall hat die Annahme des Projektleiters Lüdeke Graßhoff bestätigt, dass die geodätisch exakte Lagevermessung auch einen wesentlichen Informationsgewinn bei Hauptleitungen leistet: "3D-GeoSense und Hydrostatische Höhenmessung eignen sich sehr gut für den Einsatz im Hauptkanal. Mit dieser Technik können nicht geradlinig verlaufende Haltungen mit einer erheblichen Effizienzverbesserung untersucht und exakt vermessen werden. Alle anderen Vermessungsmethoden bedeuten ein Vielfaches an Aufwand und erzielen ein ungenaueres Ergebnis."
Unternehmensvorstellung
Die Canal-Control+Clean Umweltschutzservice GmbH wurde 1983 gegründet und wird seitdem familiengeführt. Es werden umfassende Leistungen rund um den Kanal angeboten. Dazu zählen die Bereiche Kanalinspektion, Kanalreinigung und Dichtheitsprüfung sowie die Sanierung von Entwässerungsleitungen.
Über 400 Mitarbeitende sorgen an 8 Standorten und mit einem eigenen Fuhrpark mit über 255 Spezialfahrzeugen für die Instandhaltung des Kanalsystems in Norddeutschland.