Verlaufsmessung im Hauptkanal: Eine klare Sache in Osnabrück

Für die Sanierung eines Schmutzwasserkanals wurden die Bestandspläne von 1913 verifiziert.

Auftrag

In Osnabrück fallen täglich rund 49.000 Kubikmeter Schmutzwasser an: Das entspricht dem Fassungsvermögen von 2.000 Tanklastzügen. Mit der Kanalisation sind 85.000 Haushalte mit rund 165.000 Personen und eine Vielzahl gewerblicher Betriebe verbunden. Über 1.000 Kilometer Rohre, mehr als 90 Rückhaltebecken, 38 große und ca. 300 kleine Pumpstationen und zwei moderne Klärwerke sorgen dafür, dass das Regen- und Schmutzwasser sauber in Hase und Düte fließen kann. Für einen reibungslosen, umweltgerechten Kanalbetrieb wird das gesamte Kanalnetz regelmäßig inspiziert und Unregelmäßigkeiten und Schäden erfasst. Regen- und Schmutzwasser werden in Osnabrück im Trennsystem abgeleitet. Zwei Stunden ist das Wasser durchschnittlich vom Zentrum der Stadt bis zum Klärwerk unterwegs.

Mit einer Tiefenlage von bis zu 11 m ist der in Stollenbauweise errichtete Schmutzwasserkanal unter der Buersche Straße der tiefst liegende Kanal in Osnabrück. Das überhöhte Ei-Profil mit den Abmessungen DN 600/1050 soll auf einer Länge von rund 475m in geschlossener Bauweise renoviert werden. Dies ist notwendig, weil der aus dem Baujahr 1913 stammende Kanal an vielen Stellen undicht ist, Fremdwasser eindringt und vereinzelt das Mauerwerk beschädigt ist. Als Planungsgrundlage lagen bisher lediglich die digitalisierten Bestandspläne von 1913 vor. Die Radien der Bögen waren in diesen mit R=10 m angegeben.
 

Herausforderung

Die Lage von Hauptkanälen kann theoretisch anhand von Schachtbauwerken ermittelt werden. Diese sind oberirdisch sichtbar und befinden sich zumeist im öffentlichen Bereich. Zwischen den Schächten wird in der Regel ein geradliniger Verlauf der Haltung angenommen. Es treten jedoch immer wieder Fälle auf, in denen der Haltungsverlauf von diesem Prinzip abweicht und zwar so stark, dass die Abweichung für die Planung von Sanierungsmaßnahmen von Bedeutung ist. Dazu sollte die Aufzeichnung des Rohrverlaufs mit Breiten-, Längen- und Höhenangaben vor allem die Frage beantworten, wie exakt der Kanal mit den Bögen 1913 eingemessen werden konnte, da die Radien ein Ausschlusskriterium für bestimmte geschlossene Verfahren sein können.

Lösung

Die SWO Netz GmbH entschied sich, die Angaben aus den Bestandsplänen mit Hilfe der 3D-GeoSense-Rohrverlaufsmessung zu verifizieren. Die neuen Erkenntnisse über den Verlauf fließen in die weitere Sanierungsplanung der LINDSCHULTE Ingenieurgesellschaft mbH ein.

Zunächst wurde der Kanal mittels eines mobilen Höchstdruck-Wasserstrahl-Roboters vorbereitend gereinigt. Dabei wurden vorhandene Inkrustationen und anhaftenden Stoffe entfernt. Anschließend erfolgte die Inspektion mit der Dreh-, Neige- und Schwenkkopfkamera AGRUS 5. Bei dieser Kamera für den Einsatzbereich ab DN 200 bleibt das Kamerabild selbst beim Verschwenken bzw. Drehen und Neigen des Kamerakopfes immer aufrecht und lagerichtig, so dass sich der Betrachter problemlos orientieren kann. Für die Inspektion wurde das Schmutzwasser abgepumpt und an anderer Stelle wieder in den Schmutzkanal eingeleitet.

Für die 3D-GeoSense-Rohrverlaufsmessung kam die Schwenkkopfkamera ORION 2.9 3D zum Einsatz. Die Ermittlung der x,y,z-Koordinaten erfolgte sowohl während der Vorwärts- als auch während der Rückwärtsfahrten der Kamera. Jeder Durchgang lieferte unmittelbar einen realitätsgetreuen Lageplan mit Breiten-, Längen- und Höhenangaben der Schmutzwasserleitung auf dem Monitor im Bedienraum. Der Kamerafahrwagen T 76 verfügt über eine elektronische Stabilitätsfunktion, die ihn bei Lageabweichungen automatisch in die Sohle zurückbringt. Der leistungsstarke Fahrwagen führte die ORION 2.9 3D präzise durch die Hauptleitung, sodass der integrierte Sensor stets parallel zur Rohrachse ausgerichtet war. Durch eine Mittelwertbildung der Messungen während der Hin- und Rückfahrt konnten kleine Abweichungen automatisch minimiert werden, eine Funktion die Bestandteil der IKAS evolution Softwarekomponente für 3D-GeoSense-Verlaufsmessungen von Haltungen ist.

In der Weiterverarbeitung berechnete die Software IKAS evolution aus den ermittelten Sensordaten die Koordinaten kompatibel für alle gängigen Kanaldatenformate. Somit konnte die resultierende Rohrverlaufsgeometrie an die Kanaldatenbank übergeben werden. Nach dem Import der mittels 3D-GeoSense vermessenen Rohrverlaufsgeometrie in die Datenbank wurde diese mit den vorhandenen Daten aus der Bauphase verglichen. Die Aufzeichnung des Rohrverlaufs mit Breiten-, Längen- und Höhenangaben liegt teilweise lediglich leicht parallel verschoben zu dem 1913 dokumentierten Verlauf. Derart exakte Daten von 1913 waren insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Hauptkanal in Tunnelbauweise im Felsgestein entstanden ist, im Vorfeld nicht zu erwarten. Die Kenntnis und nun hergestellte Gewissheit über die genauen Radien der Bögen gibt den Verantwortlichen Planungssicherheit und stellt eine verlässliche Grundlage für die zu treffende Entscheidung für ein Renovierungsverfahren dar.

Ergebnis

Die kontinuierliche dreidimensionale Vermessung hat sich bereits im Einsatzbereich von verzweigten Anschlussleitungen etabliert und sich dort vielfach bei unterschiedlichsten Auftragsarten und -bedingungen bewährt. Der vorliegende Praxisfall bestätigt einmal mehr, dass die geodätisch exakte Lagevermessung auch einen wertvollen Informationsgewinn bei Hauptleitungen leistet: Mit 3D-GeoSense können nicht geradlinig verlaufende Haltungen exakt vermessen werden. Die Plandaten von 1913 konnten bestätigt und durch exakte Bogenmaße ergänzt werden. Damit vervollständigten die xyz-Koordinaten des Hauptkanals die Information über den zu sanierende Schmutzwasserkanal. Die umfassenden Daten dienen der SWO Netz GmbH und der LINDSCHULTE Ingenieurgesellschaft mbH für die Wahl, Kalkulation und Planung.

Unternehmensvorstellung

Die SWO Netz GmbH ist eine 100-prozentige Tochter der Stadtwerke Osnabrück und für die Planung, den Bau und den Betrieb sowie der Instandhaltung der Infrastrukturnetze im Stadtgebiet zuständig.

Die LINDSCHULTE Ingenieurgesellschaft mbH gehört zu den führenden unabhängig beratenden Bauplanungsunternehmen in Deutschland. Angeboten werden eine Vielzahl von Bau- und Ingenieursdienstleistungen von der Bedarfsplanung bis zur Projektabwicklung.

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